Raumstation ISS fotografieren – Teil 2

Die Veröffentlichung von Teil 1 ist bereits eine gefühlte Ewigkeit her. In der Zwischenzeit gab es viele neue Aufnahmeversuche von der ISS. Nicht alle, doch einige davon haben recht gute Ergebnisse geliefert. Manche Aufnahmen entstanden sogar tagsüber während eines Sonnen-Transits.

Im ersten Teil zeichnete sich bereits ab, dass man möglichst hohe Brennweiten braucht um Details der ISS erkennen zu können. Ich wollte ursprünglich in diesem zweiten Teil beschreiben, welche Möglichkeiten es zur Erhöhung der Brennweite bzw. Vergrößerung gibt. Da diese Möglichkeiten auch für andere Bereiche der Astrofotografie von Interesse sind und der zweite Teil nicht mehr so umfangreich wie der erste Teil werden sollte, habe ich diesem Thema einen eigenen Beitrag gewidmet – Mehr Vergrößerung bitte!

Dieser ausgelagerte Beitrag geht auch auf Begriffe wie den Crop-Faktor oder die Vollformat-Brennweite ein – Begriffe die auch in diesem Beitrag vorkommen werden.

Dieser zweite Teil möchte die folgenden Informationen liefern:

  • Welches Setup liefert welche Abbildungen?
  • Wie findet man den richtigen Fokus und passende Belichtungseinstellungen
  • Mögliche Bildverzerrungen bei CMOS Sensoren
  • Meine bevorzugten Aufnahme-Methoden

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!


Inhalt


Welches Ergebnis mit welchem Setup

In Teil 1 wurden einige Aufnahmen gezeigt, die mit Brennweiten bis maximal 1.000 mm und einer DSLR Kamera aufgenommen wurden. Allen Aufnahmen war gemein, dass sie die ISS nur als winzige Pixelansammlung oder überbelichteten Leuchtfleck ohne wirklich erkennbare Details zeigten. Sie taugten deswegen lediglich dazu, einen groben Zusammenhang zwischen Brennweite und der zu erwartenden ISS-Grösse in Pixeln herzustellen. Wie man beim Lesen von Teil 1 schon erahnen konnte, kann das Thema Belichtung recht kniffelig sein. Im weiteren Verlauf dieses zweiten Teil beschreibe ich, wie man sich an passende Belichtungseinstellungen herantasten kann.

Kurzer Rückblick

Nachdem ich Teil 1 abgeschlossen und veröffentlicht hatte, habe ich viele weitere Aufnahmen gemacht. Mein 600mm Spiegelobjektiv ist mittlerweile einem 600 mm Linsenobjektiv gewichen. Dadurch habe ich im Nachhinein erkannt, dass sich mit 600 mm Brennweite sehr wohl recht ansehnliche Bilder von der ISS machen lassen. Zwar nicht besonders detailreich, aber die ISS ist immerhin als solche erkennbar. Mit den relativ günstigen 600-800 mm Spiegelobjektiven ist man bei der ISS allerdings völlig chancenlos. Schon bei gewöhnlichen Tageslichtaufnahmen liefern sie nur mäßige Qualität, weshalb bei so kleinen Objekten wie der ISS mangels Schärfe nur ein konturloser Leuchtfleck zustande kommt. Zum Vergleich eine Gegenüberstellung beider 600 mm Objektivtypen mit jeweils 2 Aufnahmen.

Spiegelobjektiv 600mm

Linsenobjektiv 600mm

Zu den damaligen 1.000 mm Teleskop-Aufnahmen kann ich mittlerweile sagen, dass mit passenden Belichtungseinstellungen durchaus brauchbare Ergebnisse möglich gewesen wären. Mir hatte damals nur die Erfahrung gefehlt.

Die Aufnahmen

Nachfolgend eine Zusammenstellung von Aufnahmen aus der letzten Zeit, zusammen mit Informationen zum verwendeten Setup (Kameratyp, Brennweite, Einstellungen, etc).

Die Reihenfolge der Aufnahmen richtet sich nach der Vollformat-Brennweite. Sie ermöglicht es, die unterschiedlichen Setups sehr einfach untereinander in Relation zu bringen. Man errechnet sie durch Multiplikation der optischen Brennweite mit dem Crop-Faktor des Kamera-Sensors (z.B. Optische Teleskopbrennweite 1.000 mm x Barlow 2,0 x CF 1,6 = 3.200 mm). Es handelt sich bei ihr nicht um die optische Brennweite, sondern sie sagt nur aus, welche optische Brennweite man bei einer Vollformat-Kamera verwenden müsste um denselben Blickbereich (dieselbe Vergrößerung) zu erhalten.

Einige Setups enthalten vom ISS-Überflug noch Kennzahlen, gültig nur für den höchsten Punkt entlang ihrer gesamten Flugbahn. Diese sind die Höhe in Grad, die Kilometer-Entfernung und mag-Helligkeit. Das soll aber nur eine Randinformation sein. Die Aufnahmen zeigen die ISS nämlich nicht unbedingt exakt an diesem höchsten Punkt ihrer Flugbahn, sondern vermutlich auch mal etwas davor oder danach. Entscheidend für die Bildauswahl war meist die Bildschärfe oder Erkennbarkeit der Solarpaneele. Bei Setup 8 weicht die Aufnahmeposition und damit auch die Kilometer-Entfernung sehr stark vom höchsten Punkt ab. Den Grund dafür erkläre ich nach der Setup-Übersicht.

Beginnend mit Setup 4 wird immer das Gesamtbild und ein Teilausschnitt gezeigt. Die Bildqualität beim Setup 3 (Sonnen-Transit) ist ziemlich schlecht, was an der im Rückblick schon erwähnten schlechten optischen Qualität des damals verwendeten Spiegelobjektivs liegt. Außerdem war es tagsüber auch schwer, einen für die ISS passenden Fokuspunkt zu finden/erahnen, denn auf der hellen Sonnenscheibe finden sich keine Konturen (wie z.B. auf dem Mond mit seinen Kratern) – wenn man Glück hat vielleicht ein paar Sonnenflecken. Es bleibt einem dann nur, den Fokus an der Schärfe der Sonnen-Kontur zu beurteilen.

Das Thema ‚Sonnentransit‘ wird in diesem Beitrag nicht näher behandelt – vielleicht in einem Folgebeitrag. An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass solche Transit-Aufnahmen ausschließlich mit geeigneten Sonnenfiltern (!!!) gemacht werden dürfen und man sich vorher ausreichend informiert, wo und wie diese Filter anzubringen sind. Es besteht sonst die Gefahr der Erblindung, schweren Verbrennungen oder die Zerstörung vom Kamera, Objektiv und Teleskop.

Setup 1

  • DSLR Kamera (CF 1,6)
  • Einzelbild 6.000 × 4.000 px
  • DSLR Fisheye Objektiv 8 mm
  • 25 s, f/5.6, ISO 1.600

Vollformat Brennweite: 13 mm

Setup 2

  • DSLR Kamera (CF 1,6)
  • Einzelbild 6.000 × 4.000 px
  • DSLR Zoom 18-135 bei 18 mm
  • 190 s, f/5.6, ISO 100

Vollformat Brennweite: 29 mm

ISS: 22°, 978 km, mag -2,0

Setup 3

  • DSLR Kamera (CF 1,6)
  • Video 1.920 × 1.080 px
  • DSLR Objektiv 600 mm (Spiegeloptik)
  • 1/2.000 s, f/8, ISO 800

Vollformat Brennweite: 960 mm

ISS: 14°, 1.284 km (Sonnentransit mit Sonnenfilter)

Setup 4

  • DSLR Kamera (CF 1,6)
  • Einzelbild 6.000 × 4.000 px
  • DSLR Objektiv 600 mm (Linsenoptik)
  • 1/1.600 s, f/11, ISO 3.200

Vollformat Brennweite: 960 mm

ISS: 85°, 424 km, mag -3,8

Setup 5

  • Guiding Kamera (CF 6,7)
  • Einzelbild 1.936 × 1.096 px
  • Guiding Teleskop 242 mm
  • Exposure 158 µs, Gain 32

Vollformat Brennweite: 1.620 mm

ISS: 28°, 819 km (Sonnentransit mit Sonnenfilter)

Setup 6

  • DSLR Kamera (CF 1,6)
  • Video 1.280 × 720 px (nur HD Modus)
  • Newton Teleskop Objektiv 1.000 mm f/5
  • Barlow Linse 2x
  • 1/1.600 s, ISO 6.400

Vollformat Brennweite: 3.200 mm

ISS: – keine Daten –

Setup 7

  • DSLR Kamera (CF 1,6)
  • Video 1.920 × 1.080 px (Full-HD)
  • Newton Teleskop Objektiv 1.000 mm f/5
  • Barlow Linse 2x
  • 1/2.000 s, ISO 6.400

Vollformat Brennweite: 3.200 mm

ISS: 75°, 440 km, mag -3,9

Setup 8

  • DSLR Kamera (CF 1,6)
  • Video 1.920 × 1.080 px (Full-HD)
  • Newton Teleskop Objektiv 1.000 mm f/5
  • Barlow Linse 2,5x
  • 1/2.000 s, ISO 6.400

Vollformat Brennweite: 4.000 mm

ISS: 87°, 421 km, mag -3,8
Position bei Aufnahme stark abweichend, ca. 50°, 540 km

Setup 9

  • Guiding Kamera (CF 6,7)
  • Einzelbild 968 × 548 px (Pixel Binning 2×2)
  • Newton Teleskop 1.000 mm, f/5
  • Barlow Linse 2x
  • Exposure 400 µs (1/2.500 s), Gain 260

Vollformat Brennweite: 13.400 mm

ISS: 84°, 428 km, mag -3,9

Setup 10

  • Guiding Kamera (CF 6,7)
  • Einzelbild 1.936 × 1.096 px
  • Newton Teleskop 1.000 mm, f/5
  • Barlow Linse 2,5x
  • Exposure 1.500 µs (1/667 s), Gain 209

Vollformat Brennweite: 16.750 mm

ISS: 68°, 454 km, mag -3,9

Nun noch wie angekündigt ein paar Details zur Aufnahme aus Setup 8. Durch ein Missgeschick beim Teleskopaufbau war es mir während des Überflugs nicht möglich, sie an der günstigsten Position bei 87° und nur 421 km Entfernung aufzunehmen – sondern leider erst sehr viel später bei geschätzt 50° Höhe und ca. 540 km Entfernung.

Das Missgeschick lief wie folgt ab: an diesem Abend hatte ich mein Teleskop etwas anders als sonst aufgestellt. Tubus und Stativbeine sollten sich beim Nachführen möglichst nicht in die Quere kommen. Der Teleskop-Tubus befand sich diesmal auf der anderen (theoretisch besseren) Montierungsseite, nämlich nördlich in Richtung Hauswand. Dadurch befand sich aber leider auch der am Teleskop-Tubus befestigte Sucher/Finder zum Anpeilen der ISS deutlich näher an dieser Hauswand – knapp über einen Meter näher als sonst.

Als die ISS dann da war, konnte das Teleskop und die angeschlossene Kamera die ISS vermutlich auch „sehen“. Auch ich sah sie mit bloßen Auge, aber beim Blick durch den Sucher/Finder war nur die überstehende Dachkante des Hauses zu sehen. Als ich den Fehler bemerkte und vor mich hin fluchte, war es für Korrekturen natürlich zu spät. Ich konnte die ISS erst anpeilen und aufnehmen, nachdem sie bereits ein ganzes Stück in Richtung Osten weitergeflogen und deutlich weiter als diese 421 km entfernt war. Mit diesem Setup hätte ich sie im höchsten Punkt mit mindestens 60 Pixeln Breite aufnehmen können, aber als sie schon weiter weg war, war sie natürlich schon viel kleiner und es kamen nur noch ca. 40 Pixel zusammen. Durch dieses Fiasko habe ich jedenfalls dazugelernt und zwang mich in dem Moment zu positivem Denken … „heute ist nicht aller Tage …“ – whoosah


Wieviel Pixel braucht die ISS?

Mit den folgenden Bildern möchte ich zeigen, ab welcher Pixelbreite der ISS (also wieviel Pixel von den linken zu den rechten Solarpaneelen) man welchen Detaileindruck erhält. Es sind bis auf Pixelebene vergrößerte Ausschnitte aus den Setups 4-10, diesmal aber geordnet nach der Pixelbreite der ISS. Auszüge aus den Setups 1-3 sind wegen zu niedriger Brennweite und schlechter Erkennbarkeit nicht enthalten.

Aus etwas Abstand betrachtet erhält man beim Verschwimmen der Pixelgrenzen einen anderen i.d.R. schöneren Bildeindruck. Das für mich erstaunliche Ergebnis ist, dass bereits ab ca. 40 Pixeln die ISS als solche erkennbar wird. Voraussetzung ist natürlich gute Belichtung und Fokus.

Pixelbreite 13

  • Setup 5
  • Vollformat-BW 1.620 mm
  • Höhe 28°
  • Entfernung 819km

Pixelbreite 38

  • Setup 7
  • Vollformat-BW 3.200 mm
  • Höhe ca. 43° (geschätzt)
  • Entfernung 595 km (gemäß der 43° Schätzung)

Pixelbreite 40

  • Setup 8
  • Vollformat-BW 4.000 mm
  • Höhe ca. 50° (grob geschätzt)
  • Entfernung ca. 540 km (gemäß der 50° Schätzung)

Anmerkung:

  • aus Full-HD Video mit 1.920 x 1.080 px

Pixelbreite 42

  • Setup 4
  • Vollformat-BW 960 mm
  • Höhe 85°
  • Entfernung 424 km

Anmerkung:

  • Einzelbild-Aufnahme 6.000 x 4.000 px

Pixelbreite 43

  • Setup 6
  • Vollformat-BW 3.200 mm

Pixelbreite 56

  • Setup 7
  • Vollformat-BW 3.200 mm
  • Höhe 75°
  • Entfernung 440 km

Pixelbreite 95

  • Setup 9
  • Vollformat-BW 13.400 mm
  • Höhe 84°
  • Entfernung 428 km

Anmerkung:

  • mit Pixel-Binning 2×2
  • Rolling-Shutter Verzerrungen

Pixelbreite 170

  • Setup 10
  • Vollformat-BW 16.750 km
  • Höhe 68°
  • Entfernung 454 km

Anmerkung:

  • ohne Pixel Binning (= 1:1)

Zu jeder Pixel-Detailaufnahme ist die Setup-Nummer und Vollformat-Brennweite angegeben. Zu beachten ist, dass eine bestimmte Brennweite nicht immer zur selben Pixelbreite führt. Die Pixelanzahl resultiert aus …

  • dem Kilometer-Abstand zur ISS
  • ob eine Einzelbild-Aufnahme gemacht wurde und das Bild die volle Sensorauflösung hat oder
  • ob ein Video gemacht wurde und die hohe Sensorauflösung in ein Videoformat mit niedrigerer Auflösung heruntergerechnet wurde (z.B. reduziert auf HD oder Full-HD, Zusammenfassung benachbarter Pixel zu einem Pixel).

Der Abstand zur ISS ist am höchsten Punkt (also beim größten Blickwinkel in Grad) eines Überflugs am geringsten. Die geringstmögliche absolute Entfernung von ca. 410-420 km hat man nur dann, wenn sich die ISS absolut senkrecht (im Zenit = 90°) über einem befindet. Weiter unten folgen ein paar Kennlinien, die die Entfernung (km) in Abhängigkeit von der Flugbahnhöhe (Grad) zeigen.

Wenn man von den jeweiligen Pixelbreiten-Bilder die nebenstehenden Angaben beachtet, dann fällt auf, dass …

  • die Bilder mit den Pixelbreiten 38 & 56 aus demselben Setup stammen (derselbe Überflug, identische Vollformat-Brennweite). Das Bild mit 38 Pixeln Breite entstand deutlich später als jenes mit 56 Pixeln, entsprechend unterschiedlich sind die Kilometer-Entfernungen (beim 38er Bild nur ein geschätzter Kilometer-Wert). Weitere Details im folgenden Kapitel.
  • die Bilder mit den sehr ähnlichen Pixelbreiten 40 & 42 stark unterschiedliche Vollformat-Brennweiten haben (40 mit 4.000 mm und 42 mit 960 mm), was spontan beurteilt ja nicht sein kann. Bei beiden Aufnahmen hat die ISS aber eine unterschiedliche Kilometer-Entfernung. Weiter weg und höhere Brennweite bzw. näher dran und geringere Brennweite gleichen sich hier gewissermaßen aus und führen zum fast selben Ergebnis.

Größe und Helligkeit der ISS entlang ihrer Flugbahn

Die beiden Pixel-Detailaufnahmen (56 und 38 Pixel) aus dem Setup 7 stammen aus derselben Videoaufnahme (es sind einzelne unbearbeitete Frames), also aus demselben Überflug (23.05.2021 um 23:51 Uhr). Das Bild mit 56 Pixeln entstand ungefähr am höchsten Punkt, wohingegen jenes mit nur noch 38 Pixeln 47 Sekunden später aufgenommen wurde, als die ISS bereits weiter im Osten war und kurz vor Eintritt in den Erdschatten immer dunkler wurde. Die Daten dieses Überflugs waren damals bei heavens-above.com abrufbar und wurden wie folgt vorhergesagt.

ISS im Zenit, Pixelbreite 56
47s später, Pixelbreite 38
Überflug-Verlauf am Himmel (Quelle: heavens-above.com)
Überflug-Daten (Quelle: heavens-above.com)

Die Sternenkarte die den Verlauf der ISS damals vorhersagte, stellt den Himmel so dar wie man ihn sieht, wenn man flach auf dem Boden liegt (Kopf nach Norden, Füsse nach Süden, Gesicht natürlich in Richtung Himmel 🙂 ). Rechts befindet sich Westen, links Osten und senkrecht über einem in der rot markierten Mitte ist die Zenit-Position (90°). Die von mir rot eingezeichnete mittige Ost-West-Achse (die den Himmel in einen Nord- und Südhimmel aufteilt) entspricht der zuvor erwähnten Dachkante über meinem Südbalkon.

Die in WNW am Horizont (Höhe = 0°) aufsteigende ISS wurde für mich also erst ab dem Schnittpunkt der Flugbahn mit dieser roten Linie/Dachkante sichtbar (23:50 Uhr und ca. 25 Sekunden). Kurz nach Passieren der Dachkante erreichte sie an der blau markierten Stelle bei 75° Höhe am südlichen Himmel ihren höchsten Punkt (23:51 Uhr und 17 Sekunden), wo die Aufnahme mit 56 Pixeln Breite entstand. Danach flog sie weiter in Richtung Osten, wo sie kurz vor Eintritt in den Erdschatten immer dunkler und aufgrund der wachsenden Entfernung auch immer kleiner wurde. Kurz vor dem Verschwinden auf 41° Höhe war sie nur noch 38 Pixel breit. Meistens erstreckt sich die Flugbahn in der Sternkarte vom westlichen bis zum östlichen Horizont. Sobald aber der Erdschatten mit im Spiel ist und das Bescheinen der ISS mit Sonnenlicht beeinflusst, beginnen oder enden (wie in diesem Fall) diese Flugbahnen nicht am Horizont.


Verändertes Aussehen der ISS

Im ersten Teil dieser Beitragsreihe gab es aufgrund der unscharfen und überbelichteten Bilder noch gar keinen Grund, um auch einmal auf das unterschiedliche Aussehen der ISS bei den unterschiedlichen Überflügen einzugehen. Die stark vergrößerten Abbildungen im vorangegangenen Abschnitt zeigen aber deutlich, dass die ISS bei jedem Überflug etwas anders aussieht und sich ihr Aussehen sogar während eines Überflugs ändert. Schuld daran sind die folgenden Faktoren:

  • der Höhenverlauf ihrer Flugbahn am Himmel
  • die Richtung ihrer Flugbahn (aus welcher/in welche Himmelsrichtung)
  • die Stellung der Solarpaneele und Radiatoren

Bevor ich mehr ins Detail gehe, möchte ich die ersten beiden Faktoren Höhe und Richtung der Flugbahn mit ein paar Aufnahmen von Flugzeugen verdeutlichen (davon habe ich mehr als von der ISS). Da jeder solche Flugzeuge aus dem Alltag kennt, erklären sich diese beiden Faktoren damit eigentlich von selbst.

Höhe 85° – SW
Höhe 30° – WSW
Höhe 5° – SW
Höhe 3° – WSW
Höhe 1° – W

Unter den Aufnahmen habe ich grob geschätzte Höhen- und Richtungsangaben gemacht. Die Höhe in Grad sagt aus, um welchen Winkel ich meinen Kopf/die Kamera anheben musste. Die Richtung gibt an, aus welcher Richtung das Flugzeug angeflogen kam – eine fiktive Angabe unter der Annahme ich hätte immer mit Blick in Richtung Süden fotografiert.

Wie bei allen Dingen in unserem täglichen Leben … die Perspektive bestimmt wie Dinge für uns aussehen bzw. sie uns erscheinen. Und die ISS bildet hierbei keine Ausnahme. Ob man von einem Flugzeug die Tragflächen oder von der ISS die großen Solarpaneele sieht bzw. gar nicht sieht, das macht natürlich auch noch mal einen erheblichen Unterschied, doch dazu weiter unten (Solarpaneele und Radiatoren) etwas mehr.

Höhe der Flugbahn

Die folgenden Darstellungen und Diagramme zeigen, wie sehr mit steigendem Blickwinkel zur ISS (also der Höhe ihrer Flugbahn in Grad) der Abstand zwischen ihr und uns immer geringer wird. Dabei wurde eine Flughöhe von 420 km angenommen. Diese Kilometer-Flughöhe ist nicht immer konstant, weil die ISS im Laufe von wenigen Wochen ein paar Kilometer an Höhe verliert – sich also immer im leichten Sinkflug befindet. Sie erhält daher alle paar Wochen einen Schub nach oben (s. Höhenverlauf der ISS) um sich der Erdanziehungskraft wieder etwas zu entziehen.

Befindet sich die ISS direkt am Horizont (0°), so ist sie vom eigenen pink markierten Standpunkt aus gesehen etwa 2.350 km entfernt. Kreuzt ihre Flugbahn (ihre Bodenspur) aber unseren Beobachtungsstandort und fliegt direkt senkrecht (90°) über uns hinweg, dann beträgt der Abstand in diesem Moment nur noch die reine Flughöhe … 420 km.


Im ersten folgenden Diagramm läuft die Abstands-Kurve recht flach aus. Um die Veränderungen in diesem flachen Bereich etwas deutlicher zu sehen, wird diese Kennlinie noch einmal im zweiten Diagramm gezeigt, aber nur für den Winkelbereich zwischen 30° und 90° und mit einer anderen Achsenskalierung für die Kilometer-Entfernung.

Wie man in beiden Diagrammen erkennt, sind die Abstandsunterschiede im letzten 20° Abschnitt (von 70° bis 90°) nicht mehr besonders dramatisch (ca. 20-30 km). Im ersten 20° Abschnitt sind sie aber mit über 1.000 km bzw. von 0° bis 70° mit ca. 2.000 km beträchtlich.

Wenn man sich vornimmt, die ISS bei einem zenitnahen Überflug an der höchsten Stelle aufzunehmen (bei ca. 90°), einschließlich 20° davor und danach (70°… 90°… 70°), dann entspricht das einer ISS-Flugstrecke von 300 km. Aufgrund ihrer Geschwindigkeit von 7,66 km/s hat man dafür dann etwa 40 Sekunden Zeit.

Richtung der Flugbahn

Den zweiten Faktor ‚Himmelsrichtung‘ möchte ich mit den folgenden Bildern erklären. Dafür habe ich an einem Globus eine Paketschnur befestigt, die eine ISS-Erdumrundung (also die „Bodenspur“) darstellen soll. Die Erklärungen sind stellenweise bereits im ersten Teil enthalten, sind mit dem Globus aber viel leichter zu verstehen.

Die ISS überquert den Äquator mit immer demselben Winkel von knapp 52°. Da sie die Erde alle 1,5 Stunden vollständig umkreist und die Erde sich unter ihr ostwärts dreht, liegt diese Äquator-Überquerung bei jeder erneuten Umrundung ein Stückchen (ca. 24°) weiter in Richtung Westen.

Der hier gezeigte Aufstieg (Süd -> Nord) am Äquator im Osten Südamerikas wandert also mit jeder Umrundung weiter zur Westküste und anschließend weiter über den Pazifik.

Der Abstieg (Nord -> Süd) am Äquator liegt auf der fast genau gegenüberliegenden Seite der Erde, auf dem Bild nördlich von Australien bei Papua-Neuguinea. Mit jeder weiteren Erdumrundung wandert auch dieser Äquator-Überflugpunkt immer weiter westwärts über Indonesien, den Indischen Ozean bis zur Ostküste Afrikas (und danach immer weiter).

Die Flugbewegung der ISS ist immer ostwärts gerichtet – hier beim Flug über Europa. Weil die Bahnebene der ISS den Äquator mit 52° schneidet, gelangt die ISS auch nur bis zum 52. Breitengrad – sowohl nördlich (z.B. Hannover) wie südlich (z.B. Falklandinseln, etwas oberhalb der südlichsten Spitze Südamerikas).


Auf dem letzten Bild sieht man sehr schön, dass die Flugbahn der ISS aus dieser Richtung betrachtet (oder auf eine flache Weltkarte übertragen) einen scheinbar kurvenförmigen Verlauf hat, obschon auf den beiden vorherigen Bildern der (Paket-)schnurgerade Flugbahnverlauf deutlich erkennbar ist. Diese scheinbare Kure sieht am Äquator sehr ’steil‘ und am 52. Breitengrad absolut ‚flach‘ aus.

Bei den folgenden Bildern ist der 50. nördliche Breitengrad des Globus etwas hervorgehoben. Der Aufstieg bei Portugal aus dem Südwesten erscheint recht ’steil‘. Je weiter die ISS in den Norden kommt und sich dem 52. Breitengrad nähert, desto ‚flacher‘ wird ihre von West nach Ost verlaufende Bahn. Für die ISS wird natürlich nichts irgendwie ‚flacher‘ oder ’steiler‘, aber für uns von der Erde aus gesehen ist die West-Ost Bewegung immer eine andere, je nachdem wie die Flugbahn relativ zu unserem eigenen Standpunkt über unsere Köpfe hinweg verläuft. In Nähe des 52. Breitengrades liegt immer der Wendepunkt zwischen Aufstieg und Abstieg.

Aufstieg über Portugal aus SW
Passage 50°N aus WSW
52°N Wendepunkt-Anflug aus W

Die Umlaufzeit der ISS variiert immer etwas – je höher sie fliegt, desto länger benötigt sie für eine Erdumrundung. Wie schon beim Vergleich von Erde und Mond in meinem Mond-Beitrag, so kann man auch hier sagen – die Erddrehung und die Umläufe der ISS sind voneinander losgelöst. Es gibt keine zeitliche oder örtliche „Kopplung“ zwischen beiden, ähnlich einem Zahnradgetriebe, wodurch ISS Umrundungen exakt reproduzierbar und auf Jahre im voraus mathematisch vorhersagbar wären. Wenn überhaupt, müsste die ISS die Erde viele 100 male umrunden, bevor ein Umlauf zufälligerweise dem anderen gleichen würde. Aus diesem Grund ist unsere Perspektive/Blickrichtung zu ihr immer eine andere, weshalb sie für uns jedes mal ein wenig anders aussieht.

Stellung der Solarpaneele und Radiatoren

Beim letzten Faktor – den Solarpaneelen und Radiatoren – muss man wissen, dass diese ständig in Abhängigkeit von der Sonnenposition verstellt werden. Bei zwei aufeinanderfolgenden Überflügen im Abstand von ca. 1,5 Stunden wird deren Positionen höchst wahrscheinlich unterschiedlich sein, da der Winkel zur Sonne zwischenzeitlich ein anderer ist. Diese Winkel bestimmen auch maßgeblich ihre für uns wahrnehmbare Helligkeit, wie das Helligkeitsverhältnis zwischen den Paneelen/Radiatoren und dem restlichen „Rumpf“ (den Stations- und Labor-Modulen) ausfällt und ob man die markanten für das typische Aussehen der ISS verantwortlichen Paneele überhaupt sieht.

Wo befindet sich was

Die Solarpaneele versorgen die ISS mit Strom und sind daher überwiegend der Sonne zugewandt. Die im Bild zu sehenden hellen/weißen Radiatoren sollen überschüssige Hitze abführen (Wärme von Geräten und Sonnenbestrahlung), weshalb ihre der Sonne zugewandten Fläche möglichst klein sein soll. Diese streifenförmigen Radiator-Elemente sind als 3er-Pakete direkt neben den Stations-Modulen angebracht, um dort die überschüssige Wärme aus der Station selbst zu entsorgen, wohingegen die vier Einzel-Radiator-Streifen bei jedem Solarpaneel die Wärme der Akku-Ladeelektronik abführen. Die Akkus sind (vermutlich aus Sicherheitsgründen) nicht in der Station untergebracht, sondern außerhalb in den Querträgern in Nähe der Solarpaneele.

Obschon die ISS über 400 km hoch im Weltraum fliegt, wird sie bei ihrem Flug dennoch von diversen Teilchen aus der kaum mehr vorhandenen Erdatmosphäre gebremst. Daher können die Paneele und Radiatoren keine x-beliebige Stellung haben. Vermutlich muss bei der Ausrichtung – ähnlich einem Flugzeug – auf eine gewisse Symmetrie geachtet werden. Da die Solarmodule mehr Energie als nötig produzieren, muss nicht jedes Modul zwangsläufig/optimal zur Sonne ausgerichtet sein.

Die Rotations-Achsen der ISS

Die folgende Abbildung zeigt, an welchen Stellen des sogenannten „Truss“ (der Querträger-Gitterrahmen-Struktur) Rotationsachsen verbaut sind um die Stations-Radiatoren (1) und Paneele (2+3) drehen zu können. Auf jeder Seite der ISS befinden sich acht Solarpaneele, wovon immer zwei Stück eine Einheit bilden – also vier Einheiten pro Seite. Mit der Rotationsachse 2 werden alle vier Einheiten gleichzeitig gedreht. Jede der vier Solareinheiten kann auch noch individuell über eine eigene Rotationsachse 3 gedreht werden (in Flugrichtung gesehen nach rechts und links). Um das Bild nicht zu verschandeln, wurde die „3“nur an einer der vier (der unteren linken) Einheiten ergänzt.

Drehachsen für Radiatoren und Solarpaneelen (Quelle Bildvorlage: nasa.gov)

Auf Wikipedia finden sich gute Erklärungen zur Gitterrahmen-Struktur, der sog. Truss-Struktur und eine Beschreibung der Rotationsachsen 2 (SARJ, Solar Alpha Rotary Joint) und 3 (BGA, Beta Gimbal Assembly). Das Zusammenspiel der Rotationsachsen 2+3 wird in dieser Simulation veranschaulicht.

Wo ist eigentlich vorne?

An dieser Stelle ist es vielleicht noch interessant zu wissen, wo bei der ISS vorne und hinten ist, also in welche Richtung sie überhaupt fliegt. Auf beiden Bildern sieht man die Cupola, die der Erde zugewandten Aussichtsplattform mit ihren 6 Fenstern und dem zentralen Bullauge.

ISS von oben/All hinter dem Heck (Quelle Bildvorlage: nasa.org)
ISS von unten/Erde (Quelle Bildvorlage: nasa.gov)

Die beiden folgenden Time Lapse Videos von David Peterson zeigen wunderschöne Aufnahmen der Erde von der ISS aus (auch wenn sich dieser Artikel eigentlich mit der Fotografie der ISS aus umgekehrter Richtung beschäftigt). Die an manchen Stellen in den Videos zu sehende Verstellung und Drehung der großen Solarpaneele erinnert stellenweise an drehende Windmühlen. Beim Ansehen der Videos bitte nicht nur auf die Solarpaneele starren, sondern auch die Schönheit der Erde sehen … und begreifen das wir sie schützen müssen!

(Quelle: Youtube, David Peterson)
(Quelle: Youtube, David Peterson)

Belichtung und Fokus

Nach dem kleinen Ausflug zu einigen ISS-Details, nun aber wieder zurück zum eigentlichen Thema dieses Beitrags. In den folgenden beiden Unterkapiteln geht es um

  • das Fokussieren und Belichtungs-Einstellungen
  • Mögliche Probleme durch Rolling-Shutter

Die richtigen Einstellungen finden

Wie zu Beginn schon angedeutet, braucht man beim Aufnehmen der ISS auch immer etwas Glück. Je nach Stellung der Radiatoren und Solarpaneele können diese entweder völlig unsichtbar sein weil man auf ihre Seitenkanten schaut, sie reflektieren gleißend helles Sonnenlicht was zu Überbelichtungen führen kann oder sie stehen einfach perfekt und man erhält zusammen mit den gut ausgeleuchteten Stations-Modulen die typische ISS-Silhouette aufs Foto gebannt. Aber auch die örtlichen Sichtverhältnisse (Seeing/Luftunruhe, hohe kaum sichtbare Schleierwolken) beeinflussen die Ergebnisse. Letzten Endes wird vermutlich die Menge von über mehrere Monate gemachte Aufnahmen darüber entscheiden, wieviel gute Bilder man von der ISS haben wird.

Vorbereitung und Überflugdauer

Das einzige was man selbst beeinflussen kann sind ein passender Fokus und die Belichtungseinstellungen. der Kamera Bei Aufnahmen mit einem Teleskop muss man den Fokus im Vorfeld einstellen. Bei DSLR/DSLM-Aufnahmen aus der Hand mit einem Objektiv hoher Brennweite (ca. 600 mm und mehr) wird man genauso verfahren. Man kann aber auch mit dem Autofokus Glück haben (am besten Mehrfach-Zonen Einstellung), wenn er schnell und präzise arbeitet.

Wie schon zuvor geschildert, befindet sich die ISS bei einem zenitnahen Überflug für maximal 40 Sekunden innerhalb des optimalen Flugbahn-Abschnitts. In dieser Zeitspanne wird man keine Gelegenheit haben, Einstellungen zu prüfen und anzupassen. Man wird seine volle Aufmerksamkeit darauf verwenden, die ISS nicht aus dem Blick zu verlieren.

Unterstützung vom Mond

Während meiner anfänglichen Aufnahmeversuche war (und ist auch heute noch) der Mond eine große Hilfe. Seine Krater sind perfekt dafür geeignet, den passenden Fokus zu finden. Anschließende Testaufnahmen auf welchen die flachen sehr hellen Gebiete seiner Oberfläche enthalten sind, helfen einem beim Finden geeigneter Belichtungseinstellungen. Diese hellen Stellen reflektieren das Licht fast genauso gut wie die glatten Oberflächen der ISS. Wenn also die hellsten Gebiete auf dem Mond nicht überbelichtet wirken, dann sollten die Belichtungsparameter in Ordnung sein.

Doch der Reihe nach. Als allererstes wählt man eine sehr kurze Belichtungszeit. Länger als 1/1000 s sollte man nicht verwenden, noch kürzer schadet auf keinen Fall. Sofern man mit einem Kamera-Objektiv und einstellbarer Blende fotografiert, könnte eine etwas geschlossene Blende (größere Blendenzahl) ein Schärfegewinn bedeuten. Ob das nötig bzw. vorteilhaft ist, weiß man vermutlich selbst am besten wenn man sein Objektiv schon etwas besser kennt – deswegen gebe ich hier keine pauschale Empfehlung zum Abblenden. Beim Teleskop mit den ggf. noch zusätzlich verwendeten Okularen oder Barlow-Linsen ist die ‚Blende‘, also das Öffnungsverhältnis, nicht änderbar, weshalb man sich hier auch keine Gedanken darüber zu machen braucht. Zum Schluss muss noch die passende Verstärkung gefunden werden, also den richtigen ISO-Wert bei einer DSLR/DSLM bzw. Gain bei Astro-Kameras, wobei man von den hellen Oberflächenbereiche des Monds unterstützt wird.

Belichtungsvergleich Mond vs ISS

Nachfolgend die Gegenüberstellungen einer zuvor gemachten Mond-Testaufnahme und der anschließenden ISS-Aufnahme (entstanden mit Setup 9, die vorhergesagte Helligkeit war mag -3,9). Beide Aufnahmen wurden mit exakt identischen Kameraeinstellungen gemacht. Es ist nicht unbedingt ein Paradebeispiel, denn die ISS weist eine deutliche Überbelichtung auf. Das Beispiel zeigt aber sehr schön, dass diese flachen/hellsten Mondareale bei Überflügen mit sehr hoher vorhergesagter Helligkeit ein sehr verlässlicher Anhaltspunkt sind.

Vollmond und ISS.

Aufgenommen mit identischen Belichtungs-Einstellungen.

Was die ISS-Aufnahme trotz Überbelichtung aber auch ganz deutlich zeigt, ist der Faktor ‚Glück‘. Alle Solarpaneele haben eine unterschiedliche Ausrichtung. Manche erscheinen daher überbelichtet, andere nahezu perfekt und von wieder andere sieht man fast nur deren Seitenkante. Der rechte Stations-Radiator steht günstig, der linke scheinbar gar nicht und trägt vermutlich genau wie die Stations/Labor-Module zur Überbelichtung bei. Ob die ISS bei einer geringer gewählten Verstärkung (ISO/Gain) deutlich schöner ausgesehen hätte bleibt ein offenes Rätsel.

Um noch einmal zu sehen, um welches Mondareal es sich in der Testaufnahme handelt, habe ich aus Stellarium für den entsprechenden Aufnahmetag den kompletten Mond sowie einen Teilausschnitt gegenüber gestellt und die als Helligkeits-Referenz verwendeten Stellen farblich markiert.

Stellarium
Stellarium
Die echte Aufnahme

Ist jede Mondphase geeignet?

Abschließend möchte ich mit der folgenden Gegenüberstellung noch zeigen, dass sich eine Mondsichel zwar zum Fokussieren eignet, aufgrund ihrer meist schwachen Leuchtstärke aber eine unzuverlässige Hilfe beim Finden der richtigen Belichtungseinstellungen ist.

Mondsichel und ISS.

Aufgenommen mit identischen Belichtungs-Einstellungen.

Wie man in der Gegenüberstellung sieht, hat die ISS trotz identischer Kameraeinstellungen eine deutlich höhere Helligkeit als die hellsten Stellen der Mondsichel. Die uns zugewandte Seite des Monds wird in dieser Mondphase vom Sonnenlicht eigentlich nur ‚gestreift‘, während die ISS (wenn wir Abends auf sie blicken) deutlich frontaler von der Sonne angestrahlt wird und somit viel heller als die Mondsichel erstrahlt.

Wenn mal kein Mond zu sehen ist

Der Mond wird seine Hilfe nicht bei jedem ISS-Überflug anbieten können. Als Alternative bleiben dann noch helle Sterne und Planten (z.B. Sirius oder Jupiter). Verwendet man ein Objektiv mit verstellbarer Blende, so sollte man die später bei der ISS-Aufnahme verwendete Blendenzahl bereits jetzt einstellen. Für die Belichtungseinstellung wählt man zunächst eine „sichere“ Kombination (lange Belichtung, hoher ISO/Gain Wert), damit kleine Sterne/Planeten selbst bei schlechter Fokussierung recht schnell im Vorschaubild sichtbar werden. Den Fokus justiert man solange nach, bis der Stern/Planet möglichst klein und scharf zu sehen ist bzw. bei Verwendung einer Bahtinov-Maske das korrekte Beugungsmuster erscheint. Zum Schluss wählt man eine sehr kurze Belichtungszeit (1/1000 s oder weniger), woraufhin das Bild vermutlich völlig dunkel/schwarz wird. Abschließend passt man ISO/Gain entsprechend an, sodass der Stern/Planet wieder sichtbar wird, aber nicht komplett weiß und ausgebrannt erscheint.

Und irgendwann kehrt Routine ein

Hat man die ISS aber erst mal eine Zeit lang fotografiert, so werden sich einige passable Aufnahmen aus diversen Setups angesammelt haben. Von diesen wird man die erprobten Belichtungseinstellungen einfach übernehmen, sodass bei der Vorbereitung nur noch die Fokussierung übrig bleiben wird.

Die Tücken von Rolling-Shutter

In diesem Abschnitt möchte ich auf ein Problem aufmerksam machen, welches bei Kameras auftritt, deren Bildsensoren im sogenannten „Rolling-Shutter“ Betrieb arbeiten. Das dürfte aktuell auf die allermeisten Bildsensoren mit sogenannter CMOS-Technologie zutreffen.

Kameras mit teureren CCD-Sensoren, die am Markt wegen der immer stärkeren CMOS-Verbreitung deutlich rückläufig sind, sind von dieser Rolling-Shutter Problematik nicht betroffen. Die Alternative bei CMOS wäre die Global-Shutter Technik. Sie wird aktuell (2023) hauptsächlich in industriellen Kameras für Hochgeschwindigkeits-Anwendungen eingesetzt und daher wohl sehr selten bis noch gar nicht in Fotoapparaten oder Astro-Kamera zu finden sein.

Wie erkennt und behebt man Rolling-Shutter Probleme?

Bei zu langer Belichtungszeit kennt man normalerweise den Effekt, dass ein bewegtes Motiv unscharf abgebildet wird. Bei Problemen mit Rolling-Shutter aber wirkt das Motiv in der Aufnahme trotz scheinbar passender Belichtung und Schärfe unnatürlich – verzerrt, gestaucht, gedehnt oder auch gebogen. Ursache ist eine für diese Sensor-Betriebsart unpassende zu lange Belichtungszeit. Sie sollte noch kürzer sein als bei zuvor gemachten gelungenen ISS-Aufnahmen, die z.B. mit einer DSLR im Einzelbild-Modus gemacht wurden.

Bei wilden Verfolgungsjagden wie bei der ISS kann Rolling-Shutter zu genannten Bildfehlern führen, da sich eine gleichmäßige und synchrone Nachführung meist als sehr schwierig erweist. Die Proportionen der ISS sehen dann unnatürlich aus, was einen trotz guter Belichtung und Schärfe erst mal ratlos dastehen lässt. Schuld daran sind kleine „Zeitschritte“ (ein leichter Zeitversatz), mit denen die Belichtung (und ebenso das anschließende Auslesen) des CMOS-Bildsensors Zeile für Zeile angestoßen wird.

Diese Zeitschritte zwischen den Zeilen summieren sich über die gesamte Bildhöhe zur gewählten Belichtungszeit auf. Bei einer Belichtungszeit von beispielsweise 2 ms (1/500 s) beginnt die Belichtung der untersten Zeile erst 2ms später als in der obersten ersten Zeile. Innerhalb dieser Zeit kann sich die ISS infolge ihrer eigenen Bewegung am Himmel, mehr aber wohl durch die Kamerabewegung, ein ganzes Stück von ihrer ursprünglichen (2 ms früheren) Position entfernt haben. Durch das zeilen- bzw. streifenweise aufeinanderfolgende Aufnehmen können Zeilen/Streifen des Motivs gegeneinander verschoben sein und zu besagten Abbildungsfehlern führen.

Die drei folgenden Aufnahmen stammen aus einer mit dem Setup 10 gemachten Bilderserie (Guiding Kamera, Belichtungszeit 1/667 s). Die Kamera wurde bei den ersten beiden Bildern vermutlich ausschließlich vertikal mal zu schnell und mal zu langsam bewegt. Sie zeigen die ISS daher in unterschiedlicher (vertikaler) Höhe – gestaucht und gestreckt wie ein Akkordeon – aber trotzdem in der für die Belichtungszeit und Fokus entsprechenden Schärfe/Deutlichkeit – wenn auch etwas überbelichtet. Beim dritten Bild war die Kamerabewegung allerdings viel zu schnell. Die hier gewählte Belichtungszeit von 1.500 µs (=1/667 s) war ohnehin schon etwas zu lang, weswegen der Rolling-Shutter Effekt hier besonders deutlich sichtbar wurde.

ISS – 100 Bildzeilen
ISS – 150 Bildzeilen
ISS bei Warp 9

Um diese Bildfehler zu vermeiden, reduziert man die Belichtungszeit solange weiter, bis die kleinen Zeilenzeitsprünge im Vergleich zur Motiv-/Kamera-Bewegung nicht mehr ins Gewicht fallen.

Wieso überhaupt Rolling-Shutter?

Kurze Antwort für den eiligen Leser: wenn kein mechanischer Verschluss vorhanden ist.

Auf diese Verzerrungen wurde ich zum ersten mal bei Verwendung meiner Guiding Kamera aufmerksam. Sie hat einen CMOS-Bildsensor der Rolling-Shutter nutzt. In meiner DSLR sitzt aber auch ein CMOS-Sensor und nach etwas googlen stellte sich heraus, dass auch bei ihr Rolling-Shutter genutzt wird (selbst bei professionellen DSLRs/DSLMs). Aber warum sind mir diese Verzerrungen bei meinen bisherigen DSLR-Aufnahmen nicht derart deutlich ins Auge geschossen? Die Antwort lautet, weil ich bei DSLR-Aufnahmen mit ähnlicher Belichtungszeit diese meist im Einzelbild-Modus gemacht hatte oder aber im Videos-Modus deutlich kürzere Belichtungszeiten eingestellt hatte (ohne mir der Rolling-Shutter Problematik zuvor bewusst gewesen zu sein).

Nachfolgend zum Vergleich Bilder von den Sensoren meiner (Consumer APSC) DSLR und Guiding-Kamera (eine Gegenüberstellung erfolgte bereits einmal hier). Der Größenvergleich beider Sensoren interessiert an dieser Stelle gar nicht, sondern nur die Tatsache, dass bei der DSLR vor dem Sensor ein Klappspiegel sitzt (hier gerade hochgeklappt) und der Sensor der Guiding-Kamera immer völlig frei liegt.

DSLR Kamera (Spiegel hochgeklappt)
Guiding Kamera

Mit dem Klappspiegel der DSLR wird die Lichtzufuhr und damit auch die Belichtungsdauer für die gesamte Sensorfläche gesteuert. Er wirkt wie ein Vorhang/Verschluss – im technischen Englisch auch „Shutter“ genannt. Wenn die Belichtungszeit über ihn gesteuert wird, dann muss kein zeilenweises Rolling-Shutter Verfahren mit den beschriebenen Nachteilen genutzt werden.

Die Guiding-Kamera hat keinen solchen mechanischen Shutter, weshalb das Licht ununterbrochen auf ihren Sensor einstrahlt und die Belichtung und auch die Kontrolle ihrer Zeitdauer mit eben dieser Rolling-Shutter Methode umgesetzt werden muss.

Der Klappspiegel kommt bei einer DSLR aber nicht immer zum Einsatz. Bei Videoaufnahmen ist er dauerhaft nach oben geklappt, weshalb die DSLR im Video-Modus ebenfalls auf Rolling-Shutter zurückgreifen muss.

Rolling-Shutter etwas detailierter … wen es interessiert

Rolling-Shutter ist – wie zuvor schon angedeutet – ein elektronisch gesteuerter zeitlicher Ablauf, der bei sehr vielen der immer stärker verbreiteten CMOS-Sensoren genutzt wird. Wenn vor dem Sensor kein mechanischer Verschluss sitzt, der die Lichtzufuhr auf die komplette Sensorfläche mit einem Schlag steuern kann, ist dieser Ablauf das Mittel der Wahl und die Belichtungszeit zu kontrollieren. CMOS Global-Shutter wäre die Alternative, setzt allerdings einen anderen teureren Sensoraufbau voraus. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb CMOS Global-Shutter seinen Weg noch nicht in die Consumer-Fotoapparate und Astro-Kameras gefunden hat.

Bei Rolling-Shutter wird die Belichtung der Sensorpixel zeilenweise gestartet, indem beginnend von oben die Sensorpixelwerte der gesamten obersten Zeile gelöscht werden. Da der Sensor frei liegt und keinen Lichtverschluss hat, fangen die Sensorpixel sofort nach dem Löschen erneut mit dem Lichtsammeln an. Das ganze geht weiter zur zweiten bis schließlich zur untersten Sensorzeile. Diese Sprünge von einer zur nächsten Zeile erfolgt aber nicht unendlich rasend schnell, sondern ist zeitlich so unterteilt, dass beim Erreichen der letzten Zeile die gewünschte/vorgegebene Belichtungszeit erreicht ist. Hätte der Sensor 500 Zeilen und die gewünschte Belichtungszeit wäre 1 Millisekunde (1/1000 s), so würden die Sprünge von Zeile zu Zeile in 2 Mikrosekunden-Schritten erfolgen (1ms : 500 = 2µs).

Nachdem man nun im allerersten zeitlich getakteten Lösch-Zeilendurchlauf in der untersten letzten Zeile angekommen ist, kann man sich im zweiten Zeilendurchlauf an das Auslesen der (mittlerweile belichteten) Zeilen machen. Auch dieses Auslesen erfolgt exakt zeitlich getaktet (z.B. in diesen 2µs). Dadurch ist sichergestellt, dass jede Zeile (nach dem vorherigen Löschen) für die Dauer der gewünschten Belichtungszeit (z.B. diese 1ms) belichtet wurde.

Dieser zweite Auslese-Zeilendurchlauf macht aber mehr. Sobald eine Zeile ausgelesen wurde, wird sie sofort (ohne Verzögerung) wieder gelöscht, wodurch für sie sofort ein neuer Belichtungsvorgang beginnt. Von nun an, also beginnend mit dem zweiten Zeilendurchlauf, wird kombiniert gelesen und gelöscht, d.h. Auslesen und neue Belichtung starten gehen von nun an Hand in Hand. Dadurch ist der Sensor in der Lage, kontinuierlich (ohne Pausen) Einzelbilder zu liefern, die alle mit der gewünschten Belichtungszeit belichtet wurden und das ohne Einsatz eines mechanischen Shutters.

Wie umgehen mit Rolling-Shutter

Beim Aufnehmen der ISS muss man zur Vermeidung von Bewegungsunschärfe ohnehin schon auf kurze Belichtungszeiten achten. Nimmt man sie mit CMOS-Sensoren im Rolling-Shutter Betrieb auf, also mit

  • Kameras ohne mechanischem Shutter (Astrocam, Guiding-Cam, DSLM)
  • DSLRs im Video-Modus (Spiegel oben)

so sollte man die Belichtungszeit zur Sicherheit noch etwas kürzer (als sonst) wählen … oder sich beim Nachführen der Kamera ganz besonders viel Mühe geben 😉


Die Aufnahme-Methoden

In diesem Kapitel möchte ich noch einmal die verschiedenen Aufnahme-Methoden gegenüberstellen. Eine die ich bereits in Teil 1 verwendet habe und weiterhin nutze, eine neue und eine welche ich mittlerweile verworfen habe.

Aufnahmen „aus der Hand“

Aufnahmen aus der Hand, nur mit meiner DSLR und Foto-Objektiv, das mache ich (wie schon in Teil 1 beschrieben) auch heute noch. Dann allerdings eher als spontane Just-For-Fun Aktion ohne jegliche Vorbereitungsarbeit und in dem Wissen, das ich damit keine WOW-Aufnahmen erzielen werde. Aber diese direkte Verfolgung ist einfach spannend … genauso wie die anschließend Durchsicht der Aufnahmen wo man einen Leuchtpunkt immer weiter heranzoomt und plötzlich Strukturen von etwas aus über 400 km Entfernung zum Vorschein kommen.

Das 600 mm Spiegelobjektiv von damals kommt wegen der schlechten Bildschärfe nicht mehr zum Einsatz. Alternativ aber ein hauptsächlich für Tageslichtaufnahmen vorgesehenes 600 mm Linsen-Objektiv. Durch den Crop-Faktor 1,6 des DSLR-Kamerasensors kommt das einem 960 mm Objektiv an einer Vollformat-Kamera gleich.

Wenn man ein Objektiv mit Bildstabilisierung hat, sollte man diese beim freihändige Fotografieren durchaus verwenden. Ansonsten kann man die Kamera auch irgendwo auflegen oder man legt sich ganz bequem mit der Kamera auf eine Gartenliege. Es ist auch ein Versuch wert, ob über die automatische Fokus-Zonen-Auswahl die Autofokusfunktion genutzt werden kann.

Starre Teleskopausrichtung

Bei der Methode mit einem starr auf eine Himmelsregion ausgerichteten Teleskop (egal ob mit oder ohne Trackingfunktion der Montierung) entscheidet die Brennweite bzw. der Bildbereich, welche Zeit zum Aufnehmen der ISS zur Verfügung steht.

Ich konnte bei 1.000 mm Brennweite mit meiner Canon EOS (APS-C Format) lediglich 8 Einzelbilder von der vorüberziehenden ISS machen (dieses Bild). Mit einer leistungsfähigeren Kamera, der Nutzung des JPG-Formats oder der Ausrichtung der Sensor-Diagonalen entlang der ISS-Flugbahn hätte man vermutlich noch ein paar mehr Aufnahmen herausholen können. Aber bereits leichte Ungenauigkeiten bei der Teleskop-Ausrichtung (und die Anforderungen steigen mit höherer Brennweite enorm) können dazu führen, dass die ISS das Kamerablickfeld gar nicht durchläuft und die ganze Aufbauarbeit umsonst gewesen war. Mit wachsender Brennweite reduziert sich das für Aufnahmen verfügbare Zeitfenster außerdem immer weiter. Daher habe ich diese Methode auch sehr bald wieder verworfen. Der geringe Ertrag an Bildern stand einfach in keinem Verhältnis zum hohen Aufwand für den Teleskop-Aufbau.

Die Video Verfolgungsjagd

Das damalige Vorgehen und verwendete Equipment:

  • Newton Spiegelteleskop mit 1.000 mm Brennweite
  • Äquatoriale Montierung (engl. EQM = Equatorial Mount, oder auch ‚Parallaktische Montierung‘)
  • Dreibein-Stativ
  • Canon EOS DSLR am Okularauszug (OAZ)
  • Sucherfernrohr (für ISS Fotografie aber nicht benutzt)
  • Teleskop fest auf eine Himmelsregion ausgerichtet
  • Einzelbild-Aufnahmen

Was sich änderte bzw. hinzu kam:

  • Telrad Finder (im zweiten Bild unten der „kantige Plastikkasten“)
  • 2.0x und 2.5x Barlow Linse zur Erhöhung der Brennweite (nicht im Bild)
  • gelegentliche Verwendung einer Guiding-Kamera anstelle der DSLR
  • Teleskop-Nachführung von Hand
  • Aufnahmen als Video
Teleskop auf EQM
Kamera an OAZ, Sucherfernrohr, Telrad Finder

Durch diese Veränderungen gab es eine deutliche Verbesserung bei den Aufnahmen, sowohl Qualität (ISS-Erkennbarkeit wg. doppelter Brennweite durch 2x Barlow) als auch Bild-Ausbeute (wegen ständiger Nachführung) wurden deutlich besser. Um die ISS noch größer abbilden zu können, bin ich später auf eine 2,5x Barlow Linse umgestiegen und habe weitere Aufnahmeversuche mit einem kleineren monochromen Bildsensor gemacht (Guide-Cam statt der DSLR).

Telrad Finder

Dies soll keine Werbung für den Telrad-Finder sein. Die Finder anderer Hersteller leisten bestimmt genauso gute Unterstützung – ich habe allerdings keine verschiedenen Modelle getestet bzw. verglichen.

Der Telrad-Finder ist klobig, fast vollständig aus Kunststoff und daher für das Geld vermutlich etwas zu teuer … aber er ist einfach genial, weil unkompliziert und zuverlässig. Er wurde in den 1970er Jahren von dem amerikanischen Amateur-Astronom Steve Kufeld konstruiert und nutzt eine bereits um 1900 erfundene Projektionsmethode, die damals aber hauptsächlich militärisch als Zielvorrichtung verwendet wurde. Steve Kufeld gab diesem Finder den Namen ‚Telrad‘ und nannte auch seine Firma ‚Telrad Inc.‘ nach ihm. Zu Beginn noch aus Aluminium, wird er seit 1982 aus ABS-Kunststoff und in seiner Form unverändert bis heute hergestellt. Andere Firmen folgten mit eigenen Produkten aber mit demselben oder ähnlichen Funktionsprinzip.

Man schaut ganz normal durch ein schräges Glas, auf welches von unten 3 rote Leuchtringe projiziert werden und deren Helligkeit man durch einen seitlichen Drehregler verstellen kann. Diese Verstellbarkeit ist besonders wichtig, denn die Helligkeit der Ringe und die der ISS sollten zueinander passen um seine Augen nicht zu sehr anstrengen zu müssen. Einmal am Teleskop befestigt und richtig justiert, lässt sich alles schnell und einfach anvisieren. Der große Vorteil gegenüber einem Sucherfernrohr ist, dass man nichts auf dem Kopf stehend oder spiegelverkehrt sieht und beim Nachführen umdenken müsste.

Aufgrund der passenden Ringgröße kann man sehr gut einschätzen, ob sich die ISS (oder ein Stern) in oder etwas außerhalb der (Bild-)Mitte befindet.

Aufnahme als Video

Die Aufnahme als Video hat den Vorteil, dass man potentiell ein paar tausend Bilder während eines Überflugs erhält. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit enorm, unter diesen Bildern einige gute zu finden. Hat man eine DSLR, also eine Kamera in welcher für eine Einzelbildaufnahme ein Spiegel mechanisch bewegt/hochgeklappt wird, dann wird diese Mechanik bei einem Video erheblich weniger strapaziert. Der Spiegel klappt zu Beginn der Videoaufnahme nur einmal hoch und am Ende wieder runter.

Das folgende kurze Video zeigt, wie die Aufnahme der ISS typischerweise aussieht, wenn man sie per Finder verfolgt und das Teleskop von Hand nachgeführt. Alles wackelt, die ISS huscht durch das Bild und manchmal entwischt sie einem auch kurzzeitig. Da die Bewegungen der ISS im Video sehr schnell sind, muss man bei den Kameraeinstellungen (insbesondere bei CMOS-Sensoren/Rolling-Shutter) auf sehr kurze Belichtungszeit achten (z.B. 1/2.000 Sekunde, normalerweise nur im manuellen M-Modus einstellbar).

Die Bilder aus den Setups 7 und 8 – deren Qualität ich recht gut finde – sind unbearbeitete exportierte Einzelbilder aus dieser Art von „Verfolgungs-Videos“.

aus Setup 7, Pixelbreite 56
aus Setup 8, Pixelbreite 40

Im Videomodus sollte man die höchste zur Verfügung stehende Auflösung wählen. Obschon meine Kamera einen Sensor mit 6.000 x 4.000 Pixeln besitzt, beträgt die maximale Videoauflösung 1.920 x 1.080 Pixel (Full-HD Modus). Vom Sensor werden somit 3×3 Pixel zu einem einzigen Pixel zusammengefasst, wodurch natürlich Details der ISS verloren gehen. Hat also die Kamera einen2k oder sogar 4k Video-Modus (3.840 x 2.160 Pixel), sollte man nicht zögern diesen auch zu nutzen.

Wer Detail- bzw. Auflösungsverluste bei der Bildkonvertierung ins Videoformat nicht hinnehmen will und eine spiegellose Kamera besitzt (also keinen mechanischen Verschleiß zu befürchten hat), der kann auch Einzelbilder machen. Dabei können in den Kamera-Einstellungen ggf. Bildoptimierungs-Optionen genutzt werden, die für so schnelle Motive wie der ISS (bzw. verwackelter Kamera) vorteilhaft sein können. Da man Bilder der ISS i.d.R. nicht so intensiv wie Deep-Sky Langzeitaufnahmen bearbeitet (wenn überhaupt), kann auch das (komprimierte) JPEG Bildformat gewählt werden um schnellere Serienaufnahmen machen zu können. Bei Videoaufnahmen werden die Einzelbilder auch komprimiert (z.B. MPEG-4), denn sonst wären die hohen Bildwiederholraten gar nicht zu schaffen.

Teleskop-Nachführung von Hand

Wenn man der ISS auf ihrer Flugbahn folgt, kann man natürlich deutlich mehr Bilder von ihr machen. Trotz der massenhaft eingesetzten/verfügbaren Technik … ein von Hand bewegtes Teleskop kann durchaus gute Ergebnisse liefern, wenn man auf eine langsame gleichmäßige Bewegung achtet.

Ein Teleskop ist immer auf einer sogenannten ‚Montierung‘ befestigt. Das ist nicht das klassische Dreibein-Stativ, was einem im ersten Moment in den Sinn kommen mag, sondern die Komponente zwischen den Teleskop und dem Stativ, die einem das Schwenken des Teleskops über zwei Achsen ermöglicht. Die folgenden Unterkapitel der jeweiligen Montierungstypen habe ich nach ihrer Eignung für die händische Handführung geordnet. Diese Reihenfolge ist natürlich völlig subjektiv.

Dobson Montierung

Wenn ein Hobby-Astronom ‚Nachführung von Hand‚ hört, denkt er vermutlich sofort an eine Dobson Montierung, meist auch Dobson Teleskop oder einfach nur „Dobson“ genannt. Das Dobson Teleskop ist ein Newton Spiegelteleskop, welches aber nicht auf einem klassischen Stativ und Montierung, sondern dreh- und schwenkbar gelagert auf einem meist hölzernen kastenförmigen Unterbau montiert ist. Es kann von Hand in jede Himmelsrichtung bewegt werden und behält beim Loslassen seine Position bei.

Dobson Teleskop (wikimedia, Urheber: ECeDee, CC BY-SA 3.0)

Ein Dobson Teleskop ist für eine manuelle Verfolgung der ISS sicherlich die beste Wahl. Das Bewegen des Teleskops ist absolut intuitiv und es gibt keine Stativbeine, an denen das Teleskop anstoßen und die Verfolgung behindert werden könnte.

Weil dieser Aufbau im Gegensatz zu den nachfolgenden beiden Montierungs-Typen so einfach zu handhaben ist, sind in diesem Beitrag keine besonderen Hinweise nötig.

Äquatoriale Montierung (EQM)

Die zweitbeste Option wäre aus meiner Sicht eine Parallaktische bzw. Äquatoriale Montierungen (engl. Equatorial Mount = EQM).

Äquatoriale Montierung

Sie ist für die (Langzeit) Astro-Fotografie der beste Montierungs-Typ, zur Verfolgung der ISS ist sie gegenüber einem Dobson aber etwas schwieriger zu handhaben. Die Polhöhenachse mag sicherlich daran Schuld sein, aber durch die i.d.R. außerhalb der Mitte liegenden Drehachsen hat sie Vorteile gegenüber der folgenden Azimutalen Montierung (AZM). Konflikte zwischen Teleskop und dem Montierungs-Unterbau (Stativ oder Säule) sind hier durchaus möglich. Wie man diese Konflikte reduzieren oder vielleicht auch völlig vermeiden kann, das werde ich im kommenden Teil 3 ausführlicher beschreiben.

Azimutale Montierung (AZM)

Auf den dritten Platz landet die Azimutale Montierungen (auch AltAz- oder AZ-Montierung, hier kurz AZM genannt). Die Bewegungsachsen sind grundsätzlich identisch zum Dobson (rechts/links/hoch/runter) und auch das Nachführen ist sehr leicht und intuitiv. Wie auch bei der EQM, sind Konflikte zwischen Teleskop und Montierungs-Unterbau (i.d.R. ein Stativ) nicht auszuschließen.

Azimutale Montierung (wikimedia, Urheber: k. Angabe, CC BY-SA 3.0)

Auf dem dritten Platz landet sie (für mich) deswegen, weil das Teleskop auf einer AZM in aller Regel mittig sitzt und daher maximal 90° hoch geschwenkt werden kann (zum Zenit). Das beim Hochschwenken an den Unterbau anstoßende Teleskop verhindert ein kontinuierliches Weiterschenken über 90° hinaus. Auch der AZM werde ich im kommenden Teil 3 noch einmal etwas näher widmen.

Bei flachen ISS Überflügen führt diese 90° Bewegungseinschränkung nicht zu Problemen. Wohl aber bei sehr hohen Überflügen, wo die ISS in Zenitnähe kommt und der Abstand zu ihr mit ca. 420 km am geringsten ist. Ein Umschwenken ist dann unausweichlich. Auch wenn das schnell erledigt ist … es ist eine Unterbrechung während des allerbesten Flugabschnitts. Das Umschwenken mit einer EQM ist sicherlich noch zeitraubender, aber es kann durch eine optimierte Stativaufstellung vermieden werden, wodurch die AZM gegenüber der EQM im Nachteil ist und ich sie deswegen auf den dritten Platz „verbannt“ habe.

AZMs bei denen das Teleskop nicht mittig, sondern etwas außerhalb über der Richtungsachse (AZ-Achse) platziert ist, haben diese 0-90° Einschränkung nicht. Sie sind dann genauso gut zur Verfolgung der ISS geeignet wie ein Dobson. Da diese Bauart aber weniger verbreitet ist, gehe ich hier nicht näher darauf ein.

Schrauben auf und los

Die AZM und EQM besitzen zwei Hauptdrehachsen, deren Fixierung (Arretierungs-Schrauben) man lösen muss, um das Teleskop beim Verfolgen der ISS von Hand nachzuführen. Die vorherige Montage von Gegengewichten und das Ausbalancieren des Aufbaus verstehen sich von selbst. Auch wenn sich der Aufbau im gut ausbalancierten Zustand befindet, sollte das frei bewegliche Teleskop immer sicher mit den Händen gehalten werden.

Die Arretierungsschrauben kann man auch wieder ganz leicht anziehen, damit die händische Nachführung etwas gebremst und damit ruhiger wird. Dazu ist allerdings zu sagen, dass dies im Inneren der Montierung leichten Verschleiß fördert (Rutschkupplungen nutzen sich ab). Darüber sollte man sich im Klaren sein und etwas bedacht/sparsam damit umgehen oder nach Möglichkeit komplett darauf verzichten.

Bei der EQM heißen die beiden Hauptachsen RA (Rektaszension) und DEC (Deklination). Bei der AZM heißen sie ALT (Altitude) und AZ (Azimut). Der Grund für die unterschiedlichen Bezeichnungen sind die unterschiedlichen Himmels-Koordinatensysteme, die man bei diesen beiden Montierungstypen benutzt (AZM = Orientierung am Horizont, EQM = Orientierung am Erdäquator/Erdachse). Die Namen sind hier prinzipiell unwichtig – im nächsten Beitrag Teil 3 werden diese Achsennamen allerdings sehr häufig genannt werden.

Arretierung der EQM (RA- und DEC-Achse)

Muss man noch mehr wissen?

Wie man auf meinen Aufnahmen sieht, verwende ich eine Äquatoriale Montierung (EQM). Mit dieser hatte ich anfangs Probleme bei der Nachführung. Mal berührte das Teleskop die Stativbeine und ich konnte der ISS nicht weiter folgen oder aber während der Verfolgung ließen beide Bewegungsachsen die von mir gewünschte Bewegungsrichtung nicht zu und ich musste mich dem Bewegungsspielraum der EQM „unterordnen“, was im Eifer des Gefechts ärgerlich war und kostbare Aufnahmezeit kostete. Das war natürlich völlig inakzeptabel – erst das schwere Teil durch die Gegend schleppen und sich ihm hinterher auch noch anpassen müssen … das geht gar nicht 🙂

Ich hatte für mich eine passable Lösung gefunden um diese Probleme zu minimieren und die ISS bequem verfolgen zu können. Diese Lösung – eine bestimmte Stativausrichtung je nach Flugrichtung der ISS – war aus dem Bauch heraus entstanden und ich wollte wissen, wie universell sie ist bzw. wo ihre Grenzen liegen. Das ganze wurde noch mal arbeitsintensiv aber trotzdem sehr interessant … und Teil 2 blähte sich immer weiter auf. Um diesen Teil nicht ausufern zu lassen, wird diese EQM-Lösung in dem folgenden Teil 3 erscheinen (der in Kürze folgt).

Long storry short …

Egal wie und mit welchem Equipment man die ISS nun aufnehmen wird, bis hier hin wurden genügend Informationen zusammengestellt, die es möglich machen, eigene Aufnahmeversuche mit ähnlichen oder sogar besseren Ergebnissen zu machen. Unter den 10 aufgeführten Setups findet man vermutlich eines was dem eigenen Setup ähnlich ist, sodass man mit den genannten Kameraeinstellung schon mal eine halbwegs passende Ausgangsbasis hat.

Ich wünsche viel Spass und Erfolg bei den eigenen Aufnahmen!


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